Glossar

Übersicht

Ableismus

Ableismus bezeichnet die soziale Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung von der Mehrheitsgesellschaft. Menschen werden auf (nicht vorhandene) Fähigkeiten oder Eigenschaften reduziert. Damit einher geht Othering.

Ableismus gilt neben u. a. Rassismus, Sexismus, Klassismus, Antiziganismus und Antisemitismus sowie Homophobie zu den häufigsten Formen von Diskriminierung.

Afro-Diaspora

Der Begriff Afro-Diaspora bezeichnet die Gesamtheit der heute nicht mehr auf dem Kontinent Afrika lebenden Menschen und damit ihre Zerstreuung sowie Verteilung auf der ganzen Welt, die häufig bedingt ist durch den Handel mit versklavten Menschen.

Ageismus

Altersdiskriminierung, die Menschen soziale und ökonomische Lebensumstände erschwert und zu gesellschaftlicher Ausgrenzung und Benachteiligung führt.

Allyship

Für den englischen Ausdruck Allyship gibt es im Deutschen bislang kein Äquivalent. Am ehesten wäre darunter Solidarität und Verbundenheit einer aus der Mehrheitsgesellschaft stammenden Person zu verstehen, die sich als Verbündete*r mit marginalisierten Gruppen (u. a. Betroffene von Rassismus, Sexismus, Homophobie, Transphobie, Klassismus, Ageismus, Ableismus) zeigt, die (strukturelle) Diskriminierungserfahrungen machen. Der*die Ally tritt für Gleichberechtigung und Diversität ein.

Zur Allyship kann z. B. der (öffentliche und/oder private) Kampf gegen Vorurteile gehören oder das Umstellen des persönlichen Sprachgebrauchs, um ihn inklusiver zu machen. Dazu kann die Verwendung des Begriffs People of Color als Selbstbezeichnung von Menschen gehören, die nicht als Weiß gelesen werden, oder der Gebrauch und die Großschreibung von Schwarz. Die Autorin Roxane Gay sagte dazu in einem Interview aus dem Jahr 2016: „Wir brauchen Menschen, die sich erheben und die Probleme der Unterdrückung als ihre eigenen betrachten, ohne Distanz. Wir brauchen Menschen, die dies tun, obwohl sie nicht vollständig verstehen können, was es bedeutet, für Herkunft oder Ethnizität, Geschlecht, Fähigkeiten, Klasse, Religion oder einen anderen Identitätsmarker unterdrückt zu werden.“

Ambiguität

Von Ambiguität oder Mehrdeutigkeit spricht man beispielsweise, wenn es um einen Umstand geht, auf den gleich mehrere Interpretationen zutreffen. Bildkunst ist demnach extrem ambig. In einem gesellschaftlichen Kontext tun wir uns jedoch schwer damit, Ambiguität zu akzeptieren; wir fühlen uns mit Eindeutigkeit wohler. Dabei kann es wie der Islamwissenschaftler Thomas Bauer beschreibt eine Welt frei von Ambiguität nicht geben, weil immer noch eine Option bleibt, weil nichts final und allumfassend erklärbar ist.

Antisemitismus

Der Begriff Antisemitismus bezeichnet eine feindliche, mitunter hasserfüllte Haltung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens. Diese Haltung kann sich durch verbale oder physische Übergriffe gegen Einzelpersonen, Gemeinden oder religiöse Institutionen bemerkbar machen. Zusätzlich artikuliert sich Antisemitismus häufig über Codes, die nicht immer einfach entschlüsselt werden können und ggf. auch unbewusst gebraucht werden.

Antisemitismus ist eine Form von Rassismus und gilt u. a. neben Sexismus, Klassismus, Ableismus, Antiziganismus und Homophobie zu den häufigsten Formen von Diskriminierung.

Mehr Informationen zu antisemitischen Codes finden sich hier:

https://hidden-codes.de

Antiziganismus

Als Antiziganismus wird – nach Empfehlung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma – die Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja bezeichnet, die zwischen dem 7. und 13. Jahrhundert aus dem heutigen Indien nach Europa einwanderten. Schon 1498 wurden sie aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation verbannt, womit sie entrechtet waren und als staatenlos und vogelfrei galten. Die rassistische Fremdbezeichnung Z******* etablierte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts. Lange Zeit über glaubte man, der Begriff stamme von Ziehgauner. Bis heute werden Irish Travellers, woonwagenbewoners und Jenischen mit diesem Begriff zu einer vermeintlich homogenen Masse gemacht. Der Mechanismus folgt dabei dem der Verwendung des N-Wortes. Damit in Zusammenhang steht Othering. Antiziganismus ist eine Form von Rassismus und gilt u. a. neben Sexismus, Klassismus, Ableismus, Antisemitismus und Homophobie zu den häufigsten Formen von Diskriminierung.

Apartheid

Apartheid beschreibt eine Ideologie der Rassentrennung in einer politisch-gesellschaftlichen Dimension. Die von staatlicher Seite festgeschriebene und organisierte Vorherrschaft der weißen Bevölkerungsgruppen über People of Color und speziell Schwarze Menschen kennzeichnet die Politik Südafrikas im 20. Jahrhundert mit einer Hochphase zwischen den 1940er- und 1980er-Jahren. Als offizielles Ende der Apartheid wird häufig die Ernennung Nelson Mandelas (19182013) zum ersten Schwarzen Präsidenten im Jahr 1994 genannt. Vergleichbar damit ist die Segregation in den USA, die häufig synonym mit der Apartheid verstanden wird.

Awareness

Awareness bzw. das Bewusstsein für und die aufmerksame Auseinandersetzung mit verschiedenen Problematiken gesellschaftlichen Lebens. Dabei wird versucht, sexistischem, rassistischem, homophobem, transphobem, ableistischem oder vergleichbar übergriffigem Verhalten eine Sensibilisierung entgegenzusetzen und für Betroffene Sicherheiten zu schaffen.

BIPoC

BIPoC ist die Abkürzung für Black, Indigenous and People/Person of Color und gilt als Selbstbezeichnung von durch Rassismus unterdrückten Menschen, die als nicht-weiß gelesen werden. Als politischer Begriff wurde BIPoC zum ersten Mal im Laufe der 1960er-Jahre von der Black-Power-Bewegung verwendet. Dabei versucht der Begriff, die gemeinsamen Erfahrungen zwischen verschiedenen marginalisierten Gruppen aufgrund ihrer Race mit unterschiedlichen historischen und sozialen systematischen Diskriminierungen zu bündeln.

Blackfacing / Redfacing / Yellowfacing

Bezeichnet eine rassistisch konnotierte Praxis, bei der sich weiße Personen etwa ihre Gesichter schwärzen, um sich zu verkleiden. Hierbei zielt die Verkleidung häufig auf Afrikaner*innen, Asiat*innen oder Mitglieder der indigenen Bevölkerungsgruppen Nordamerikas ab. Damit werden rassistische Klischees und stereotype Darstellungen nicht nur bedient, sondern auch fortgeschrieben.

Colorism

Colorism, auch Shadeism, bezeichnet Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe. Damit ist Colorism eine spezielle Form von Rassismus, die auf die Schattierung der Haut einer Person abzielt: Je heller der Hautton von BIPoC, desto größer sind die Privilegien im Vergleich zu BIPoC mit dunklerem Hautton. Von Rassismus können dabei alle betroffen sein. Das spezielle Merkmal von Colorism ist jedoch, dass er auch innerhalb einer kategorisierten Gruppe von Minderheiten, die etwa das Identitätsmerkmal Race teilt, auftritt, wie auf den Kontinenten Afrika, Asien, Süd- und Mittelamerika, wo Menschen mit hellerem Hautton bevorzugt werden.

Derailing

Ist ein Anglizismus, der von derail, zu Deutsch entgleisen, stammt. Als Derailing bezeichnet man eine bewusst oder unbewusst angewandte Strategie, um vom eigentlichen Kernthema einer Diskussion abzulenken.

Emanzipation

Emanzipation ist die Befreiung aus jedweden Abhängigkeitsverhältnissen also Gleichberechtigung.

Empathielücke

Das Problembewusstsein und die Aufmerksamkeit vieler Menschen sind hierarchisch organisiert und an Empathie gebunden. Dabei geht es um persönliche Betroffenheit tragischen Ereignissen gegenüber, die eher aufgebracht wird, wenn man sich mit den Opfern identifizieren kann. Ein Beispiel dafür kann sein, dass Menschen im Globalen Norden betroffener reagieren, wenn 1.000 Personen in den USA bei einer Naturkatastrophe ums Leben kommen, als würde 1.000 Menschen das gleiche Schicksal in Ruanda widerfahren.

Empowerment

Im Unterschied zur Selbstbildbeeinträchtigung durch gesellschaftliche Muster bedeutet die Selbstermächtigung das genaue Gegenteil. Dabei werden innerhalb eines Prozesses verschiedene Maßnahmen und Strategien von marginalisierten Gruppen oder Einzelpersonen eingesetzt, die ihre Selbstbestimmtheit zum Ziel haben.

Essentialismus

Der Begriff des Essentialismus stammt aus der Philosophie und ist ebenso Gegenstand sozialwissenschaftlicher Untersuchungen. Die Psychologin Susan Gelman definiert Essentialismus als die Vorstellung, dass bestimmten Kategorien eine Realität oder eine wahre Natur zugrunde liegt, die sich nicht direkt beobachten lasse, aber einem Objekt Identität verleihe und auch für andere Ähnlichkeiten zwischen den Angehörigen dieser Kategorien verantwortlich sei“. Ein konkretes Beispiel für den Essentialismus liefert folgende Vorstellung: Sie begegnen bei einem Spaziergang im Wald einem Wildschwein. Durch das, was Sie über Wildschweine wissen, ist Ihnen bewusst, dass es Sie anfallen könnte. Vorsicht ist geboten. Hierbei handelt es sich jedoch um eine generische Verallgemeinerung, denn nicht alle Wildschweine greifen Menschen an. 

Übertragen auf eine gesellschaftliche Dimension greift der Essentialismus ebenso. Menschen neigen dazu, andere Menschen in Gruppen zu kategorisieren, meist aufgrund von äußeren Merkmalen. Diese äußeren Unterschiede, seien sie durch Gender, Race oder Ähnliches bestimmt, werden zu Zuschreibungen, die uns glauben machen wollen, dass bestimmte Menschen durch bestimmte Merkmale zu bestimmten Gruppen gehören. In dieser Assoziationskette ist der nächste Schluss, dass die jeweilige Gruppe durch ein inneres, alle Individuen einendes Wesen verbunden ist. Darüber hinaus neigen Menschen dazu, eine solche generische Behauptung anzunehmen, wenn sie negativ ist. Dadurch kommt es zu Stereotypen und Vorurteilen. Damit wird deutlich, dass der Essentialismus ebenso lebensnotwendig ist, wie das Beispiel des Wildschweins gezeigt hat; mit Blick auf Identitäten irrt er jedoch in der Regel, denn erst durch ihn konnte z. B. die Rassentheorie entstehen. Die Annahme, es gäbe eine Form von wahrer Natur einer ganzen Gruppe von Menschen, die erklären könnte, weswegen sie eine bestimmte soziale Identität haben, ist falsch.

Eurozentrismus

Als Eurozentrismus wird eine Bewertung außereuropäischer Kulturen aus der Perspektive europäischer Werte und Normen bezeichnet. Europa gilt demnach als Zentrum der (zivilisierten) Welt und wird zum Maßstab für alles andere.

Feminismus

Feminismus ist der radikale Gedanke, dass Frauen Menschen sind“, so schrieb die Autorin und Aktivistin Marie Shear im Jahr 1986. Doch zu welcher Einsicht möchte sie ihre Leser*innen mit dieser Aussage bewegen? Der Feminismus ist eine Bewegung, die die Gleichberechtigung der Geschlechter anstrebt, das heißt, Sexismus und Unterdrückung von Frauen sollen in einer gesamtgesellschaftlichen Dimension beendet werden. Damit werden nicht etwa Männer zum Gegner erklärt, niemandem sollen Rechte und Privilegien weggenommen werden vielmehr geht es darum, diese Rechte und Privilegien allen Geschlechtern zugänglich zu machen und damit Wege in eine faire und gleichberechtigte Gesellschaft zu finden.

Dass Feminismus auch heute noch notwendig ist, zeigt sich z. B. am Gender Pay Gap, aber auch an der hohen Anzahl von Femiziden

Femizid

Mit Femizid wird die Ermordung von Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts bezeichnet. In Deutschland versucht jeden Tag ein Mann, eine Frau (häufig seine (Ex-)Partnerin) zu ermorden an jedem dritten Tag gelingt es. Für das Jahr 2019 zählt das Bundeskriminalamt 125 Femizide.

Damit sind nicht nur sogenannte Ehrenmorde gemeint, die von vermeintlich Fremden begangen werden, sondern auch Trennungsmorde und Gewalt, die zum Tod führt, innerhalb einer Beziehung. Solche Delikte sind eingebettet in Strukturen und Normen, die vom Patriarchat begünstigt werden. Frauen werden nicht als Individuen verstanden, sondern als Objekt und damit als Besitz eines Mannes. Der Begriff des Femizids ermöglicht es, diese Straftaten nicht mehr als Privatsache und tragisches Resultat von Beziehungsproblemen oder Familiendramen zu verharmlosen.

Gender

In Abgrenzung zum biologischen Geschlecht eines Menschen bezeichnet der Begriff Gender das sozial konstruierte Geschlecht mit all seinen Rollenzuschreibungen. Das soziale Geschlecht muss demnach nicht mit dem biologischen Geschlecht einer Person, das ihr bei der Geburt zugewiesen wurde, übereinstimmen. Die Geschlechtsidentität ist in diesem Zusammenhang die persönliche Vorstellung über das eigene Geschlecht bzw. die eigenen Geschlechter.

*Cisgender
Person, deren soziales und biologisches Geschlecht, das bei der Geburt zugewiesen wurde, übereinstimmt.

Transgender
Person, deren Geschlechtsidentität nicht oder nicht vollständig mit dem bei der Geburt zugewiesenen biologischen Geschlecht übereinstimmt. Eine Möglichkeit für transgender Personen kann es sein, medizinische Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung in Anspruch zu nehmen.

Bigender / Trigender
Personen mit zwei (im Falle von Trigender: drei) Geschlechtsidentitäten. Meist sind dies Mann und Frau, es können aber auch andere Ausprägungen, z. B. Frau und nichtbinär, vorkommen. Diese Geschlechtsidentitäten können zeitgleich oder abwechselnd auftreten.  

nichtbinär
Begriff, der Personen beschreibt, die nicht Männer oder Frauen sind, sondern beides zur gleichen Zeit oder die sich selbst als weder Männer noch Frauen begreifen. Die nichtbinäre Geschlechtsidentität steht nicht in Verbindung zum biologischen Geschlecht. In einigen vorkolonialen Gesellschaften war Gender nicht in einer binären Ordnung fixiert. Als Beispiel dafür können noch heute die Hijra in Indien gelten.

genderqueer
Als Beispiel für eine nichtbinäre Geschlechtsidentität kann genderqueer gelten. Genderqueer dient dabei als Überbegriff für Menschen, die sich nicht der Geschlechtsbinarität zugehörig fühlen. Genderqueer kann aber auch die Geschlechtsidentität von Menschen bezeichnen, die sich als Mann und Frau identifizieren oder als weder Mann noch Frau. Damit lässt sich genderqueer nicht eindeutig von den Begriffen nichtbinär und genderfluid abgrenzen.

gender nonconforming
Personen, deren soziales Geschlecht nicht mit dem biologischen Geschlecht, das bei der Geburt zugewiesen wurde, übereinstimmt, bezeichnet man als gender nonconforming. In Abgrenzung zum Begriff transgender steht bei gender nonconforming die grundsätzliche Ablehnung von binärer Geschlechtsidentität im Fokus.

genderfluid
Personen, deren Geschlechtsidentität sich zwischen Mann und Frau und anderen Geschlechtern bewegt und damit veränderlich ist oder sein kann, bezeichnet man als genderfluid. Die Geschlechtsidentität von genderfluiden Personen kann demnach für einen bestimmten Zeitraum oder in bestimmten Situationen zwischen allen Geschlechtern wechseln. Anders als bei genderqueeren Personen bewegt sich diese Geschlechtsidentität nicht zwingend jenseits der Geschlechtsbinarität.

agender / genderless
Personen, die sich mit keiner Geschlechtsidentität identifizieren.

intergeschlechtlich
Begriff, der Personen beschreibt, deren biologisches Geschlecht bei der Geburt nicht als eindeutig männlich oder weiblich gelesen werden kann. Einige Forscher*innen gehen davon aus, dass eins von 100 Neugeborenen in irgendeiner Form intergeschlechtlich ist. Dabei sind beispielsweise Varianten der Chromosomen XX/XY/XXX/XXY zwar selten, doch zeigen sie, dass auch die biologische Betrachtung keine rein binäre Geschlechterordnung bestätigen kann. Bis heute werden die Genitalien von intergeschlechtlichen Kindern operativ einem Geschlecht angepasst. Dieser Eingriff geht häufig mit gesundheitlichen und psychischen Problemen einher.

 

Globaler Norden / Globaler Süden

Der Begriff des Globalen Nordens bezeichnet die privilegierte Position der Industrienationen, der sogenannten Ersten Welt. Demgegenüber steht der Globale Süden mit seinen gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich benachteiligten Entwicklungs- und Schwellenländern, der sogenannten Zweiten und Dritten Welt. Dabei bezeichnen die neutralen Begriffe Globaler Norden und Globaler Süden die Abkehr von der diskriminierenden Priorisierung von Ländern nach Zahlen. Gleichzeitig verweist Global darauf, dass es sich nicht mehr um geografische oder nationalstaatliche Bezeichnungen handelt, sondern entsprechend einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt eine globale Perspektive in den Vordergrund gerückt wird.

Handel mit versklavten Menschen

Der Kauf bzw. Verkauf von Menschen als Ware, um sie anschließend zu Zwangsarbeiter*innen zu machen, ist spätestens seit der Antike dokumentiert. Speziell seit der Neuzeit ist der Wohlstand verschiedener europäischer, amerikanischer und arabischer Staaten mitunter im Handel mit versklavten Menschen begründet. Dabei werden überwiegend Einwohner*innen des Kontinents Afrika gefangen und versklavt. Bedingt durch die verschiedenen Handelsrouten unterscheidet man den ostafrikanischen und den transatlantischen Handel mit versklavten Menschen.     

Doch wie genau funktionierte dieser Handel? Es legten beispielsweise in Europa Schiffe ab, die beladen waren mit verschiedenen Gütern wie Waffen, Metall, Stoffen oder Glas. Sie landeten an der Küste Westafrikas, wo man die Waren gegen zuvor verschleppte Menschen eintauschte. Mit den versklavten Menschen an Bord steuerten die Schiffe die Karibik an, wo die versklavten Menschen verkauft wurden. Von den Erlösen wiederum kaufte man landwirtschaftliche Erzeugnisse, darunter Baumwolle, Zucker und Rum, die im Vorfeld häufig durch die Zwangsarbeit bereits zuvor versklavter Personen erwirtschaftet wurden. Schließlich steuerten die Schiffe wieder Europa an, wo die Produkte gewinnbringend verkauft werden konnten. Das heißt, dass die florierende Wirtschaft Europas ab dem 17. Jahrhundert maßgeblich vom Handel mit versklavten Menschen profitierte. Damit steht dieser Wirtschaftsaufschwung in direktem Zusammenhang mit der Maafa.

Entscheidend für dieses Vorgehen ist die rassistische Doktrin, dass eine Gruppe von Menschen von Natur aus höher gestellt wäre als eine andere. Als Legitimation zieht man verschiedene Quellen heran, wie die Bibel oder philosophische Schriften, die dazu häufig dekontextualisiert wurden. Gleichzeitig versuchte man, das eigene Handeln durch vermeintlich naturwissenschaftliche Erkenntnisse von Rasse zu untermauern. Dabei existiert der Handel mit versklavten Menschen bis heute und wird zumeist als Human Trafficing bezeichnet.

Heteronormativität

Heteronormativität kann als hegemoniale Weltanschauung verstanden werden, die Heterosexualität von Cis-Personen als soziale Norm versteht und tradiert, womit auch Geschlechterrollen, Stereotype usw. fortgeschrieben werden. Weil Heterosexualität als Norm etabliert ist, wird sie nicht hinterfragt und ist damit so gut wie nie Gegenstand des politischen oder gesellschaftlichen Diskurses. Gleichzeitig ist das Abweichen von dieser Normvorstellung mit Sanktionen verbunden, denn alles, was vom als richtig, normal, natürlich erachteten Status quo abweicht, wird automatisch als unnatürlich bewertet und/oder als Nischenthema verstanden, von dem nur wenige betroffen sind, weniger beachtet oder gänzlich unsichtbar gemacht.

Incels

Die Bezeichnung Incels wird vom englischen involuntary celibate (zu Deutsch unfreiwilliges Zölibat) abgeleitet. Incels sind dementsprechend unfreiwillig enthaltsam lebende Heterosexuelle, in der Regel Männer, die in den USA eine Internet-Subkultur gebildet haben. In ihrer misogynen, d. h. frauenfeindlichen Haltung gehen sie davon aus, ein Recht auf Geschlechtsverkehr mit Frauen zu haben, auch unter Anwendung von Gewalt. Hierin zeigt sich ein Ausdruck toxischer Männlichkeit. Dabei beschränken sich Incels jedoch nicht mehr auf die Sphäre des Digitalen, wie der Amoklauf 2004 von Elliot Rodgers in Santa Barbara (USA) gezeigt hat.

Identitäten

Jedes Individuum vereint verschiedene Identitäten in sich. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Merkmale einer Person, die ihr Zugehörigkeit zu verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen verschafft. Diese Merkmale wie die Identitäten selbst können sich mitunter gegenseitig bedingen, ergänzen oder einander sogar ausschließen. Damit ist die Idee, identisch mit sich selbst zu sein, ein Irrglaube.

Diese facettenreichen Identitäten gehen einher mit verschiedenen Privilegien und Herausforderungen oder gar Diskriminierungserfahrungen, mit denen jede Person auf die eine oder andere Weise im Laufe ihres Lebens konfrontiert ist. Der stereotype weiße alte Mann wäre demnach wegen seiner Race und seines Genders privilegiert. Aber er könnte mit einer Behinderung leben und wäre damit Diskriminierungen ausgesetzt. Möglicherweise ist er homosexuell und wird zudem aufgrund seiner Sexualität benachteiligt. In diesem Fall würde man von Intersektionalität sprechen.

Bei diesen verschiedenen Aspekten von Identitäten geht es also darum, Nuancen wahrzunehmen. Jede Person macht verschiedene Erfahrungen, die meist in historisch gewachsenen hierarchischen Strukturen innerhalb einer Gesellschaft begründet sind. Das Wissen um die Facetten von Identitäten mit all ihren Vor- und Nachteilen und deren strukturelle Verankerung erleichtert die Selbstverortung.

Intersektionalität

Als Intersektionalität bezeichnet man das Aufeinandertreffen mehrerer Formen von struktureller Diskriminierung. Der Begriff wurde in den 1980er-Jahren von der Anwältin Kimberlé Crenshaw geprägt, die damit auf die Mehrfachdiskriminierung in Form von Rassismus und Sexismus von Schwarzen Frauen aufmerksam machte. An Crenshaw wurde ein Fall herangetragen, in dem die Afroamerikanerin Emma DeGraffanreid gegen ein Automobilunternehmen klagte, das sie nicht einstellte, weil sie eine Schwarze Frau war. Das Gericht wies die Klage jedoch ab, weil das Unternehmen Schwarze und Frauen beschäftigte: Dabei waren die Schwarzen durchweg Männer, die in Werkstätten arbeiteten, und die Frauen waren als weiße Sekretärinnen beschäftigt. Juristisch waren diese Formen der Diskriminierung lange Zeit nicht greifbar, weil diese spezifischen Benachteiligungen nur getrennt voneinander betrachtet wurden, was das Erkennen von Mehrfachdiskriminierung nahezu unmöglich machte.

Kategorisierung

Das Phänomen der Kategorisierung könnte umgangssprachlich als Schubladendenken bezeichnet werden. Dabei werden Menschen in einer definierten sozialen Gruppe, einem Kollektiv, gesammelt. Diesem Kollektiv werden verschiedene Merkmale als einendes Element zugeschrieben, z. B. Gender, Race, Kultur, Klasse oder Sexualität. Zu Kategorisierungen kommt es, weil Menschen Eindeutigkeit in ihrem Leben brauchen, um gesellschaftliche Zusammenhänge leichter zu begreifen. Beim Mechanismus der Kategorisierung, der dem Essentialismus nahesteht, geht es demnach um Vereindeutigung in einem gesellschaftlichen Kontext. Gleichzeitig wirken Kategorisierungen damit Ambiguität entgegen.

Weil eine völlige Beseitigung von Vieldeutigkeit jedoch nicht möglich ist, kommt es innerhalb der Kategorisierungen zu weiteren Unterkategorien. So entsteht innerhalb einer Unterkategorie ein größtmögliches Maß an Eindeutigkeit. Damit wirkt diese Form der Unterteilung von Menschen gegen jedwede Vielfalt. Denn Kategorisierungen durch die es z. B. zu einem Nebeneinander von Kulturen und Menschen anstelle eines Miteinanders kommt wirken nicht inkludierend oder integrativ; sie trennen. In der Folge kommt es nicht zu einem Mehr an Akzeptanz, sondern höchstens zu Toleranz des Anderen im Sinne einer (widerwilligen) Duldung.    

Als Beispiel für Kategorisierungen kann Sexualität dienen: Erst im späten 19. Jahrhundert kam das Konzept von Sexualität als identitätsstiftendem Merkmal auf. Man unterteilte Menschen in Homo- oder Heterosexuelle (im Laufe der Jahre folgten weitere Kategorisierungen). Zuvor, in einer Zeit, die man als Sex vor Sexualität“ bezeichnen könnte, hatten Personen (nicht) gleichgeschlechtlichen Sex, der zwar moralisch bewertet wurde, aber nicht als fester Bestandteil ihrer Persönlichkeit galt. Menschen wurden also nicht auf Grundlage von Geschlechtsverkehr kategorisiert. Erst mit dem Aufkommen von Sexualität als Identitätsmerkmal kommt diese Kategorie auf, durch die man fortan Gruppen voneinander unterschied. 

Durch das Verlangen nach Kategorisierung, um die Welt verständlicher zu machen, kommt es zu Ambiguitätsintoleranz. Vor dem Hintergrund des damit einhergehenden Zugehörigkeitsgefühls zu einer bestimmten Gruppe, mit der sich das Individuum selbst identifiziert oder mit der es von außen gleichgesetzt wird, erfolgt darüber hinaus eine Abgrenzung. Diese Abgrenzungsmechanismen können u. a. Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus, Ableismus, Klassismus, Sexismus oder Homophobie zur Folge haben.

Klassismus

Als Klassismus wird die Diskriminierung einer Person aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder ihrer sozialen Position bezeichnet. Hiervon können auch privilegierte soziale Gruppen betroffen sein, doch zielt Klassismus in der Regel in die entgegengesetzte Richtung: Als Marker werden dafür häufig geringeres Einkommen oder ein geringerer institutioneller Bildungsgrad angeführt. Damit gehen verschiedene stereotype Vorstellungen und Einstellungen gegenüber der Zuschreibung eines Herkunftsmilieus einher. Der Begriff stammt aus den 1970er-Jahren und wurde in den USA durch das lesbische Kollektiv The Furies geprägt.

Klassismus gilt neben u. a. Ableismus, Antiziganismus, AntisemitismusRassismus, Sexismus und Homophobie zu den häufigsten Formen von Diskriminierung.

Kognitive Dissonanz

Im Laufe seines Lebens erhält der Mensch durch seine Erfahrungen mehr und mehr Erkenntnisse über seine Umwelt. Diese Erkenntnisse werden als Kognitionen bezeichnet. Verschiedene Kognitionen können im Verhältnis zueinander stehen. Wenn sie sich gegenseitig bedingen oder ergänzen, bezeichnet das den Zustand kognitiver Konsonanz. Stehen verschiedene Kognitionen jedoch im Widerspruch zueinander, entsteht Kognitive Dissonanz, wie es 1957 der Sozialpsychologe Leon Festinger (19191989) ausdrückte. Diese kognitive Dissonanz wird von der betreffenden Person als sehr unangenehmer Zustand empfunden. Sie entsteht beispielsweise, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die sich im Nachhinein als Fehler herausstellte.

Übertragen auf das Spektrum der Identitäten bedeutet kognitive Dissonanz, dass die Wertmaßstäbe einer Person ihrem Verhalten entgegenstehen können, das heißt, dass sich die Person z. B. zu rassistischen, sexistischen, homophoben, klassistischen o. Ä. hinreißen lässt, ohne ein Bewusstsein für die geäußerte Diskriminierung zu haben. Erst darauf aufmerksam gemacht, würde sie begreifen, dass sie einen anderen Menschen einer Diskriminierungserfahrung ausgesetzt hat. Dabei entsteht bei der Person, die die Äußerung getätigt hat, kognitive Dissonanz, weil sie sich selbst nicht als Rassist*in, Sexist*in usw. versteht und verstanden wissen will.

Kollektivsubjekt

Die Philosophin Judith Butler prägte den Begriff des Kollektivsubjekts. Er weist darauf hin, dass von Menschen, die ein identitätsstiftendes Merkmal teilen, häufig in Singularform als eine homogene Gruppe gesprochen wird. Butler deckt mit diesem Begriff auf, dass es bei der Fokussierung auf soziale Gruppen nicht mehr um ein konkretes Individuum und Vielfalt geht, sondern durch verschiedene Zuschreibungen vielmehr ein imaginiertes Kollektivsubjekt entsteht. In dem Beispiel „Der Mann mag Fußball“ ist mit „der Mann“ kein Individuum gemeint, sondern alle Männer.

In Bezug auf marginalisierte Gruppen spricht die Journalistin und Autorin Kübra Gümüşay von der Bürde der Repräsentation“, die sich im Kollektivsubjekt offenbare. Sie berichtet über gläubige Musliminnen, die Kopftuch tragen, und beschreibt sie von der Gesellschaft als gesichtslose Wesen, Bestandteile eines Kollektivs [wahrgenommen]. Jede ihrer Äußerungen, jede ihrer Handlungen wird auf das Kollektiv zurückgeführt, Individualität wird ihnen nicht zugestanden. […] Viele Menschen in unserer Gesellschaft können durch die Straßen gehen und dabei einfach sie selbst sein. Sie können unfreundlich sein, sich ärgern, ihren Emotionen freien Lauf lassen, ohne dass daraus ein allgemeiner Schluss gezogen würde über all jene, die so ähnlich aussehen wie sie oder die gleiche Religion praktizieren. Wenn ich, eine sichtbare Muslimin, bei Rot über die Straße gehe, gehen mit mir 1,9 Milliarden Muslim*innen bei Rot über die Straße.“ An diesem Beispiel hält Gümüşay fest, dass Individuen innerhalb einer Gruppe verblassen, womit sie gleichermaßen die Muslim*in als Kollektivsubjekt mit dem Essentialismus verknüpft.

Kolonialismus

Kolonialismus wird allgemein als die Erweiterung eines Nationalstaates betrachtet, mit besonderem Blick auf wirtschaftliche, politische und militärische Interessen. Dabei spielen die Ausbeutung und Unterdrückung der Bevölkerungsgruppen der kolonisierten Territorien eine maßgebliche Rolle. 

Die Zusammenhänge zwischen Kolonialismus, Rassismus, Deutschem Reich und der Maafa werden in Deutschland bis heute selten thematisiert. Als Beispiele für den Kolonialismus werden in der Regel Großbritannien, Frankreich, die Niederlande oder Portugal angeführt. Es stimmt, dass das Deutsche Reich weniger Kolonien in Besitz nahm und dass es wegen des Versailler Vertrags nach dem Ersten Weltkrieg keine Kolonialmacht mehr war. Doch seit 1883 besaß das Deutsche Reich Kolonien, die als sogenannte Schutzgebiete bezeichnet wurden. Sie befanden sich u. a. im heutigen Tansania, Burundi, Ruanda und einem Teil Mosambiks, der Deutsch-Ostafrika genannt wurde. Hinzu kamen Deutsch-Neuguinea, Deutsch-Samoa, das heutige Namibia (damals: Deutsch-Südwestafrika), Deutsch-Westafrika mit dem heutigen Kamerun und Togo sowie Kiautschou in Nordchina. Damit war das Deutsche Reich flächenmäßig das drittgrößte Kolonialreich, etwa 13 Millionen Menschen lebten in seinen Schutzgebieten. Dabei hatten dort nur wenige deutschstämmige Personen Grundbesitz oder waren im Handel mit versklavten Menschen tätig. Vielmehr profitierte man indirekt durch neu erschlossene Produktionszweige und den Handel mit den Kolonien. Damit ist der Wohlstand innerhalb des Deutschen Reiches zumindest teilweise auf die Ausbeutung durch den Kolonialismus zurückzuführen, der für wirtschaftlichen Aufschwung sorgte. Etwa zur gleichen Zeit entstanden im Deutschen Reich bedeutende ethnologische Sammlungen, für deren Unterbringung Museen erbaut wurden, wie das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin, das Grassimuseum in Leipzig oder das Culturgeschichtliche Museum in Hamburg (heute: Museum am Rothenbaum). 

Während der Wohlstand im Deutschen Reich stieg, missionierte man die Bevölkerungsgruppen innerhalb der deutschen Kolonien. Durch ein rassistisch motiviertes Gefühl der weißen Überlegenheit versuchten Missionar*innen, die Menschen vor Ort zu zivilisieren“, d. h. ihnen die deutsche Kultur“ aufzuzwingen, während ihre eigenen Gebräuche, Normen und Religionen mehr und mehr in Vergessenheit geraten sollten. Durch diese Form der Fremdherrschaft kam es zu einer Unterwerfung in allen Lebensbereichen bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Ausbeutung auf verschiedenen Ebenen, die mit einer Verflechtung von Kolonialismus sowie religiöser und kultureller Unterdrückung einherging. 

Durch diese verschiedenen und wirkungsvollen Mechanismen wurden die indigenen Bevölkerungsgruppen entmenschlicht und zu Objekten gemacht. In der Folge kam es zwischen 1904 und 1908 zum ersten Genozid des 20. Jahrhunderts: In Deutsch-Südwestafrika wurden die Aufstände der einheimischen Bevölkerungsgruppen der Herero und Nama, die sich der Fremdherrschaft widersetzten, blutig niedergeschlagen mit dem Ziel, die gesamten indigenen Bevölkerungen auszulöschen. Der preußische Generalleutnant und Kommandeur der Schutztruppe Lothar von Trotha (18481920) erließ den Vernichtungsbefehl: Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr […] erschossen.“ Wer nicht erschossen wurde, wurde in die Omaheke-Wüste getrieben, um dort zu verdursten. Etwa zur gleichen Zeit begann von Trotha auf Geheiß des Kaisers, Wilhelm II. (1859–1941), Konzentrationslager in Deutsch-Südwestafrika einzurichten. Dort wurden die gefangengehaltenen Herero und Nama – Erwachsene und Kinder – zu Zwangsarbeit verpflichtet und misshandelt. Zur medizinischen Forschung wurden ihre Leichen nach Deutschland geschickt. Noch heute befinden sich in Deutschland menschliche Überreste in musealen Sammlungen. Schätzungen gehen davon aus, dass über 70.000 Menschen diesem Völkermord zum Opfer fielen. Das entspricht etwa 70 % der Herero und ca. 50 % der Nama. Erst seit Mai 2021 erkennt Deutschland den Genozid offiziell an.

Kulturelle Aneignung

Kulturelle Aneignung beschreibt die Übernahme von Kulturgütern einer Kultur durch Mitglieder einer anderen Kultur. Dabei ist der Austausch von Kulturen grundlegend begrüßenswert, fördert er doch gegenseitiges Verständnis und Anerkennung. Doch ist zu beachten, dass der Begriff der kulturellen Aneignung weniger auf eine Inanspruchnahme von Kulturgut auf Augenhöhe abzielt. Vielmehr berücksichtigt er ein historisch gewachsenes Machtgefälle, in dem sich der Globale Norden der Musik, des Schmucks, der Kleidung, religiöser Symbole usw. des Globalen Südens bedient häufig, um sich dadurch zu bereichern. Als Beispiel dafür können Designer*innen dienen, die sich an der Ornamentik der Textilien der Yoruba bedienen.

Dabei kreist die Problematik in ihrem Kern nicht darum, wer der*die Eigentümer*in einer Kultur ist. Die auf Kultur übertragene Idee von Eigentum ist das falsche Modell, um sich dem Thema zu nähern, wie der Philosoph Anthony Kwame Appiah festhält. Das bedeutet jedoch nicht, dass kein Fehlverhalten existierte. Es steht weniger der Aspekt der Aneignung im Vordergrund, viel wichtiger sind in diesem Zusammenhang Ausbeutung und Missachtung, die aufgrund von ungleichen Machtverhältnissen erst ermöglicht werden. 

Wenn sich Rheinländer*innen als Mitglieder der indigenen Bevölkerungsgruppen Nordamerikas mit Federschmuck im Haar verkleiden und Redfacing anwenden, um Karneval zu feiern, ist das kein kultureller Diebstahl, sondern respektlos und rassistisch. Wenn sich US-amerikanische Popsänger*innen der Rhythmen der Musik von Südafrikaner*innen bedienen, um damit sehr viel Geld zu verdienen, sollte die Frage erlaubt sein, ob sie einen fairen Anteil an ihren Gewinnen den Südafrikaner*innen haben zukommen lassen. 

Das Problem wurzelt demnach nicht per se in der Aneignung, sondern im respektlosen und ausbeuterischen Umgang mit kulturellen Merkmalen und Traditionen, die anderen Menschen wichtig sind, wenn nicht sogar in den Herkunftsregionen als heilig gelten. Ein Kulturtransfer und Austausch auf Augenhöhe, bei dem sich alle Parteien mit Anstand und Sensibilität begegnen, wäre hingegen ein Gewinn für alle.

Latinx

Genderneutrale Bezeichnung für Personen mit zentralamerikanischem familiärem Hintergrund oder zentralamerikanischer Herkunft.

LGBTQIA+

Die Abkürzung soll Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen umfassend abbilden, die von Heteronormativität und binärer Geschlechterordnung abweichen. Die Abkürzung stammt aus dem englischen Sprachraum, die Buchstaben stehen für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersexual und Agender. Dabei weist + auf weitere Geschlechtsidentitäten hin.

Maafa

Der Begriff Maafa wurde 1988 von der Anthropologin Marimba Ani eingeführt und ist Swahili für schreckliche Katastrophe. Maafa bezeichnet sowohl den ostafrikanischen als auch transatlantischen Handel mit versklavten Menschen sowie die Genozide an afrikanischen Bevölkerungsgruppen, die in der Regel mit dem Kolonialismus einhergingen. Ihre Nachwirkungen sind bis heute etwa in Form von Rassismus zu spüren. Maafa dient damit als Terminus, um die Verbrechen an Schwarzen zusammenfassend benennen zu können.

Mikroaggressionen

Mikroaggressionen bezeichnet die emotionalen Auswirkungen, die Diskriminierungserfahrungen in einer systemischen wie alltäglichen Sphäre auf marginalisierte Menschen haben, und bündelt damit erniedrigende Botschaften, Beleidigungen, Entwürdigungen usw. Sender*innen dieser (unbewussten) Botschaften sind beispielsweise weiße Menschen, die der Mehrheitsgesellschaft angehören. Sie richten diese Botschaften etwa an Schwarze Menschen oder People of Color.

Dabei kann in drei verschiedene Typen von Mikroaggressionen unterteilt werden, wie die Autorin Tupoka Ogette vorschlägt:

  1. Mikroangriffe: (Bewusste) Handlungen oder Äußerungen, die einen anderen Menschen herabwürdigen. Dazu gehört beispielsweise die Verwendung rassistischer Symbole oder Sprache, wie das N-Wort.
  2. Mikrobeleidigungen: (Non-)Verbale Kommunikation, die beleidigend wirkt, z. B. wenn eine Sicherheitsperson in einem Geschäft davon ausgeht, dass BIPoC kriminell seien, und in besonderem Maße auf sie Acht gibt.
  3. Mikroausgrenzungen: Subtile Form der Kommunikation, die BIPoC ausgrenzt, indem beispielsweise gefragt wird, woher jemand wirklich kommt. Denn diese Frage impliziert, dass Deutsche weiß zu sein haben und es BIPoC nicht erlaubt ist, sich im eigenen Land zuhause zu fühlen.

Mikroaggressionen werden ausgelöst durch kurze Augenblicke und Begegnungen, die isoliert betrachtet nicht der Rede wert scheinen. Zum strukturellen Phänomen werden sie erst durch ihr gehäuftes Auftreten, das für betroffene Personen sehr schmerzhaft sein kann.

N-Wort

Das N-Wort ist eine rassistische Fremdbezeichnung für Schwarze Personen, die ihnen von weißen Menschen gegeben wurde. Dieses Wort wird bewusst nicht mehr ausgeschrieben, um Rassismus nicht zu tradieren. Es soll an dieser Stelle stellvertretend für andere rassistische und diskriminierende Bezeichnungen verstanden werden, wie etwa das antiziganistische Z*******.

Die Aktivistin und Autorin Tupoka Ogette sagt zum Beharren auf die Verwendung des N-Wortes: Es gibt keine Sprachpolizei oder Zensur. Du kannst und darfst alles sagen. Aber du musst dann auch bereit sein […], Verantwortung für das eigene Sprechen zu übernehmen. Wenn du das N-Wort benutzt, dann tue es in dem Bewusstsein darüber, dass Du Dich damit bewusst rassistisch verhältst und Menschen damit verletzt.“

Othering

Das aus dem Englischen stammende Othering kann übersetzt werden mit jemanden zum*zur Anderen machen und ist ein maßgeblicher Teil von Identitätsprozessen. Es geht bei Othering um einen Ausgrenzungsmechanismus, der davon bestimmt ist, dass sich eine Gruppe von Menschen selbst zum Standard macht und von einer anderen Personengruppe distanziert, weil diese vermeintlich nicht dem Standard entspricht. Die Folge daraus ist die Unterscheidung zwischen einem Wir und den Anderen, die sich diametral gegenüberstehen. Die Anderen innerhalb dieses Mechanismus zu definieren, ist dabei besonders wichtig, weil das Wir nur fortbestehen kann, wenn die Anderen als seine Legitimationsgrundlage dienen. Damit bietet Othering den Nährboden für Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Ableismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Homophobie usw.

Patriarchat

Weltweit vorherrschende Gesellschaftsordnung, bei der Männern eine priorisierte Stellung in allen Lebensbereichen zukommt. Dieses System führt auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens zur Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen, die als Frauen und Mädchen gelesen werden, und begünstigt Sexismus.

Perspektive

Jeder Mensch hat eine bestimmte Perspektive auf die Welt, die bedingt ist durch die individuellen Erfahrungen, Privilegien und Identitätsmerkmale. Besonders mit Blick auf Identitäten wird die Betrachtung und Kategorisierung der Umwelt überwiegend von einem dominanten weißen, männlichen, heterosexuellen und gebildeten Standpunkt vollzogen das heißt aus einer (vermeintlich) sehr privilegierten Perspektive. Dadurch dass Menschen ihre Privilegien selten hinterfragen oder sich selbst bewusst machen, werden sie als natürliche Gegebenheiten angesehen. Gleichzeitig treten so andere Identitätsmerkmale und -kategorien in den Hintergrund: Sie werden unsichtbar gemacht. Erst im Vollziehen eines selbstreflektierten Perspektivwechsels wird die eigene Sichtweise deutlich und kann durch Empathie erweitert werden. 

Power Sharing

Menschen, die nicht von (spezifischen) Diskriminierungserfahrungen betroffen sind und ihre Privilegien einsetzen, um Missstände anzusprechen oder zu beheben, betreiben Power Sharing. Dieses Power Sharing kann unterschiedlich ausfallen: Etwa wenn Räume geöffnet werden, um allen Perspektiven auf eine Situation oder einen Umstand Gehör zu verschaffen. Zum Power Sharing gehört auch, kein Derailing zu betreiben, wenn es um individuelle Diskriminierungserfahrungen geht.

Als Leitsatz zum Power Sharing kann Martin Luther Kings (1929–1968) Aussage dienen: In the end, we will not remember the words of our enemies but the silence of our friends.“ [Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde.“]

Privilegien

Privilegien sind Möglichkeiten und Vorteile, die Menschen, die der Mehrheitsgesellschaft angehören, d. h. nicht marginalisiert sind, automatisch zukommen und deswegen meist als selbstverständlich betrachtet werden. 

Am spezifischen Beispiel der weißen Privilegien lassen sich stellvertretend Kriterien und Mechanismen von privilegierten Positionen nachvollziehen. Denn Weißsein definiert sich in erster Linie über die Verlustspur des Nicht-Weißseins. Das bedeutet, dass weiß wie alle Gruppen einen Gegenpol braucht, über den es seine Existenz legitimieren kann. Häufig sind sich Menschen ihrer Privilegien nicht bewusst, weil sie sie und die mit ihnen einhergehende Perspektive als selbstverständlich betrachten und dadurch nicht mehr wahrnehmen. 

Zu diesem Phänomen entwickelte der Autor David Foster Wallace in einer 2005 vorgetragenen Rede eine Parabel: Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?ʻ Die zwei jungen Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: Was zum Teufel ist Wasser?ʻ“

Blickwinkel auf die Welt sind immer begrenzt, selten objektiv und nie allumfassend. Erst mit dem Bewusstsein für individuelle Privilegien sowie der Wahrnehmung von spezifischen Herausforderungen der eigenen und der anderer Menschen kann man reflektieren und Diskurse öffnen. Dabei können weiße Privilegien vielgestaltig sein: Weiße Menschen werden in Deutschland nicht aufgrund ihrer Race von fremden Personen zu ihrer Herkunft befragt. Sie werden auch nicht für ihre guten Deutschkenntnisse gelobt. Sie müssen sich nicht fragen, ob sie eine Anstellung oder eine Wohnung wegen dieser Facette ihrer Identität nicht bekommen haben. Weißsein stellt kein Hindernis dar, als BIPoC gelesen zu werden sehr wohl.

Queer

Queer stammt aus dem englischen Sprachraum und bedeutet schräg, eigentümlich, merkwürdig. Oft wurde es auch synonym mit pervers verwendet. In diesem Sinne wurde queer über lange Zeit als Beleidigung für homosexuelle Männer gebraucht. Positiv umgedeutet und als Selbstbezeichnung verwendet wurde der Begriff im Zusammenhang mit der Schwulen- und Lesbenbewegung seit den 1980er-Jahren ausgehend von den USA. Heute ist der Begriff queer weitestgehend etabliert und wird auch in Politik und Wissenschaft verwendet. Mit Hilfe dieser Bezeichnung werden polymorphe Lebens- und Denkweisen gebündelt, die sich jenseits des heteronormativen Spektrums bewegen und darüber hinaus z. B. für Sexualitäten stehen, die sich nicht durch die Begriffe homo-, hetero- oder bisexuell definieren lassen.

Race

Race dient als Sammelbegriff, um die Erfahrungen und Identitätsbezeichnungen nicht-weißer Menschen in einer kulturell-soziopolitischen Dimension zu benennen. Dabei wird bewusst von der Verwendung des deutschen Rassebegriffs, der auf eine Unterteilung von Menschen auf biologischer Ebene verweist und dadurch dem englischen breed entspricht, abgesehen. 

Race bezeichnet demnach eine soziale Gruppe, eingebettet in einer Gesellschaft, die mit vergleichbaren physischen Merkmalen ausgestattet ist und darüber hinaus über einen ähnlichen sozialen Erfahrungshorizont verfügt. Mit Race wird also die theoretische Konstruktion auf gesellschaftlicher Ebene veranschaulicht. Das Deutsche kennt hierfür bislang keinen adäquaten und allgemein anerkannten Terminus, weswegen auf Race zurückgegriffen wird.

Rape Culture

Der Begriff Rape Culture dient als Werkzeug, um die Verharmlosung und die Duldung von Vergewaltigungen und sexualisierter Gewalt sowie sexueller Belästigung zu benennen, die nicht nur in spezifischen sozialen Schichten, sondern auch in ganzen Gesellschaften zu finden sind. In diesem Zusammenhang wird häufig auch die Schuld an beispielsweise einer Vergewaltigung der betroffenen Person zugeschrieben, indem ihr unterstellt wird, die Tat durch ihre Kleidung oder ihr Verhalten provoziert zu haben, was als Victim Blaming zu bezeichnen ist. Gleichzeitig wird das Verhalten von Täter*innen dadurch gerechtfertigt. Rape Culture bezeichnet damit eine fehlgeleitete Idee von Zustimmung und Einvernehmlichkeit, die etwa in der Incel-Community einen Höhepunkt erfährt.

Rasse

Das Konzept von Menschenrassen gilt heute wissenschaftlich als unhaltbar. So wird der Rassebegriff nur noch in Bezug auf Zuchttiere angewandt. Gleichwohl benennt er in seiner historischen Dimension eine mit Rassismus und der Rassentheorie – speziell im 19. und 20. Jahrhundert – eng in Zusammenhang stehende Grundlage für die Verbrechen des Nationalsozialismus, aber auch des Kolonialismus und des damit zusammenhängenden Handels mit versklavten Menschen, was schließlich Bedingung für die Maafa war.

In Abgrenzung zum deutschen Terminus der Rasse, der in der Regel mit biologischen Faktoren arbeitet, um Menschen aufgrund ihres Aussehens zu kategorisieren, soll auf das englische Race zurückgegriffen werden, das eine sozial-politische Erfahrungswelt beschreibt.

Rassismus

Rassismus bezeichnet eine inzwischen wissenschaftlich verworfene ideologische Theorie, nach der sich Menschen – aufgrund von meist äußeren Merkmalen wie Hautfarbe – in Rassen einteilen lassen würden. Diese Rassentheorie geht einher mit dem grundlegenden Gedanken, dass einige Menschen in Abgrenzung zu anderen Personen(gruppen) in irgendeiner Weise besser“ seien und aus diesem Grund das Recht hätten, über andere zu herrschen. Dadurch lassen und ließen sich im Laufe der Geschichte verschiedene Handlungen legitimieren, um eine bestimmte Weltordnung herzustellen und Hierarchien zu etablieren. 

Rassismus ist damit ein historisch gewachsenes und wirkmächtiges System der Unterdrückung mit politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Dimension, das in allen Lebensbereichen zum Tragen kommen kann. Die darin festgeschriebene Hierarchisierung und Kategorisierung von Menschen in Gruppen versuchte man auf verschiedenen Ebenen zu begründen: Zum einen durch vermeintlich naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die Menschen – wie Pflanzen oder Tiere – in Spezies gliederte und ihnen so im Sinne des Essentialismus durch die Bestimmung äußerer Merkmale ein inneres Wesen zuschrieb. Zum anderen suchte man in schriftlichen Quellen nach Begründungen und fand diese in der Bibel und in verschiedenen philosophischen Schriften, die man mitunter dekontextualisierte oder fehlinterpretierte und damit instrumentalisierte. In diesem Zusammenhang sei besonders darauf aufmerksam gemacht, dass das Konzept des Rassismus eine Erfindung des 20. Jahrhunderts ist. Die nachfolgend angeführten Auszüge aus Textquellen stammen aus einer Zeit, in der diese Theorie noch nicht im heutigen Verständnis existierte. Nicht jede rassistische Äußerung stammt automatisch von einer*einem Rassist*in. Hier ist es besonders wichtig, den Einzelfall zu untersuchen und den vorherrschenden Zeitgeist zu berücksichtigen. Nichtsdestotrotz gehen rassistische Theorien – im Falle Europas und der USA – von einer weißen Vorherrschaft aus. Dieser folgten im Sinne des Colorism meist People of Color, während Schwarze Menschen am unteren Ende dieser Hierarchie standen. Hierin liegt auch einer der Gründe für Kolonialismus, den Handel mit versklavten Menschen und die Maafa

Rechtfertigungsversuche für Rassismus

Im Zuge des ab dem 17. Jahrhundert erstarkenden Handels mit versklavten Menschen berief man sich beispielsweise auf den antiken Gelehrten Aristoteles, der die Sklaverei als natürliche Gegebenheit verstand. Dabei wählte Aristoteles jedoch nicht Rasse als Kriterium für die legitime Versklavung von Menschen, sondern die Unterscheidung in Griechen und Nichtgriechen. Nur letztere durften als Ware gehandelt werden. Um Rassismus zu rechtfertigen, bemühte man ebenso die Bibel: In Genesis, 9, 18–27 geht es um Noah und seine drei Söhne Ham, Jafet und Sem. Noah, der, betrunken vom Wein, nackt in seinem Zelt lag, wurde von Ham entdeckt, der amüsiert von dieser Situation seine Brüder herbeiholte. Jafet und Sem deckten jedoch den Vater zu und verhöhnten ihn nicht – im Gegensatz zu Ham. Als Noah erwachte und davon hörte, verfluchte er Ham und all seine Nachkommen: Sie sollten Jafet und Sem sowie ihren Nachfahren als Knecht aller Knechte“ (Genesis, 9, 25) dienen. Weil nach biblischer Vorstellung alle Menschen auf einen Stammvater zurückgeführt werden können, ergab sich aus dieser Passage der Grund für legitime Versklavung. Nach der biblischen Sintflut hat sich die Weltbevölkerung dieser Vorstellung zufolge aus den Nachfahr*innen von Noahs Söhnen gebildet. Ab der Renaissance beschäftigte man sich mit der Frage, in welchen Regionen sich die Nachfahr*innen der einzelnen Brüder niedergelassen haben könnten. Man hielt fest, dass Jafets Nachfahr*innen in Europa zu finden seien. Sems Nachkommen lebten in Asien und die von Ham besiedelten den afrikanischen Kontinent. Dementsprechend – so glaubte man – konnten Afrikaner*innen versklavt werden.

Auch Philosoph*innen beschäftigten sich immer wieder mit der Herleitung von Gründen für Rassismus, die das individuelle und kollektive Handeln rechtfertigen sollten. Zu ihnen gehörte auch Immanuel Kant (1724–1804), wichtigster Vertreter der deutschen Aufklärung, der die Weltbevölkerung – ganz im Sinne des vorherrschenden Zeitgeistes, der alles kategorisieren und erklären wollte – in Rassen unterteilte. In Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen (1764) schreibt er: Die [N-Wort] von Afrika haben von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische stiege.“ Es sei angemerkt, dass diese Publikation in Kants vorkritische Phase fiel. Betrachtet man seine Äußerungen in den Jahren 1781 bis 1790, das heißt der Zeit, in der auch seine Hauptwerke entstanden, setzte sich der Philosoph weiterhin mit Rassentheorie auseinander, wie in seinem 1785 erschienenen Aufsatz Bestimmung des Begriffs der Menschenrasse, in dem er Menschen nach Hautfarben in vier Rassen gliedert und ihnen bestimmte Charaktereigenschaften zuschreibt. Wenige Jahre später, 1788, betont er in Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie abermals die Wichtigkeit der Rassenlehre. Dies verdeutlicht er am Beispiel der indigenen Bevölkerungsgruppen Nordamerikas, die er als zu aller Kultur unfähig“ beschreibt und sie am unteren Ende einer rassistischen Werteskala verortet. Diese Haltung Kants überrascht umso mehr, als aus seiner Feder auch die Formel Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst“ stammt (Kant, AA IV, 429). Kants kategorischer Imperativ hat damit auch für nicht-weiße Menschen Gültigkeit. Der Philosoph bewegt sich also in einem offenen Widerspruch zu sich selbst, wenn er BIPoC die Vernunftbegabung und damit einhergehend ihre Autonomie – beides essentielle Bestandteile des Menschseins – abspricht. Andererseits wendet sich Kant ab den 1790er-Jahren gegen den Handel mit versklavten Menschen sowie den Kolonialismus, die er in den Jahren zuvor noch als legitim erachtete. Wie diese Äußerungen und Schriften zu bewerten sind und wie sie mit dem übrigen Werk des Philosophen im Sinne des damaligen Zeitgeistes zu verstehen sind, wird derzeit erforscht.

Umgang mit Rassismus in Deutschland

Ein häufig nicht wahrgenommenes Problem im Umgang mit Rassismus ist, dass meist nur als Rassismus gilt, wenn eine Aussage oder Handlung vorsätzlich von einer Einzelperson auch rassistisch gemeint war. So wird besonders positiver Rassismus, das heißt ein positiv konnotiertes Vorurteil, selten als rassistische Äußerung anerkannt. Ein Beispiel: Latinx sind temperamentvoll und tanzen gut. Rassismus tarnt sich hierbei als Kompliment. Die Anrufung von kategorisierten Menschen (hier aufgrund der Herkunft einer Person) als Kollektivsubjekt ist eine rassistische Äußerung, weil nicht mehr das Individuum und spezifische Talente betrachtet werden, sondern es als Vertreter*in einer Gruppe jede Individualität einbüßt und nicht mehr als Einzelperson wahrgenommen wird. 

Ein weiteres – besonders in Deutschland verbreitetes – Problem ist, dass Rassismus selten in einer gesellschaftlichen Dimension diskutiert wird. Denn der Begriff des Rassismus ist immer noch eng an das NS-Regime geknüpft und wurde in der Folge weitestgehend verbannt. Strukturellen Rassismus zu ignorieren, ist jedoch der falsche Ansatz: Rassismus findet nicht nur in Form von Polizeigewalt in den USA statt. Rassismus ist auch ein Problem in Deutschland, durch das BIPoC diskriminiert, benachteiligt, bedroht, beleidigt und angegriffen werden. Das Bundeskriminalamt hat für das Jahr 2019 insgesamt 8.585 Fälle von Hasskriminalität gegen Race und Religion, speziell in Form von Rassismus und Antisemitismus, verzeichnet.   

Bis heute beruht der Rassismus auf verschiedenen Rechtfertigungsversuchen, die zumeist der Gedanke eint, die Herrschaft weißer Europäer*innen über nicht-weiße Personen zu begründen. Als Merkmale für eine rassenideologische Werteskala dient einerseits – im Sinne des Colorism – die Benennung von Hautfarben und die Kategorisierung von Menschen nach ihnen. Andererseits wurden diesen Gruppen bestimmte Eigenschaften, wie Moral, Intellekt, Autonomie und Erziehbarkeit, zu- bzw. abgesprochen. Das geschieht zuweilen bis heute, wenn auch in abgewandelter Form. Wer eine antirassistische Gesellschaftsstruktur anstrebt, sollte diese historische strukturelle Dimension von Rassismus anerkennen und bestrebt sein, sie u. a. nicht zu tradieren. Denn je mehr Lebenswirklichkeiten ein Individuum im Blick hat, desto mannigfaltiger wird die Perspektive auf die eigene Umwelt und umso wahrscheinlicher ist es, Schieflagen erkennen und benennen zu können. 

Rassismus findet verschiedene Ausprägungen. Dazu gehören z. B. auch der Antiziganismus und Antisemitismus oder Colorism. Rassismus zählt neben u. a. Ableismus, Sexismus, Klassismus und Homophobie zu den häufigsten Formen von Diskriminierung. 

Mehr über den eigenen Rassismus erfahren: https://implicit.harvard.edu/implicit/germany/takeatest.html

Reclaiming

Reclaiming stammt vom englischen to reclaim und kann mit zurückfordern übersetzt werden. Es bezeichnet eine Strategie der politischen Selbstermächtigung in Form von Aneignung diskriminierender Zuschreibungen und Fremdbezeichnungen. Dazu zählen z. B. die Verwendung des N-Wortes durch Schwarze Menschen oder das Benutzen des herabwürdigenden Begriffs B*tch durch Frauen. Im Zuge des Reclaimings wurde inzwischen queer zu einem Terminus, der früher als Schimpfwort gebraucht heute als Selbst- und Fremdbezeichnung Verwendung findet.

Schwarz

Die Großschreibung Schwarz macht sichtbar, dass es sich nicht um die Verwendung eines Adjektivs handelt und dementsprechend auch keine Farbe gemeint ist, sondern um eine politische Selbstbezeichnung. Damit versucht der Begriff, soziale Gemeinsamkeiten zu bündeln, die sich aus dem Konstrukt des Rassismus ergeben. Das heißt, es geht um Menschen, die Rassismuserfahrungen machen, womit Schwarz auf eine politische Realität und Identität hinweist. Keineswegs geht es um biologische Gemeinsamkeiten einer Gruppe. Weiß ist ebenfalls ein Konstrukt. Um zu verdeutlichen, dass es sich auch hierbei nicht um eine Farbbezeichnung, sondern um eine politische Beschreibung handelt, wird der Begriff kursiv verwendet.

Segregation

Die Segregation (engl. Racial segregation) in den USA, die bis 1964 gesetzlich verankert war, bezeichnet die sogenannte Rassentrennung, speziell von weißen und Schwarzen Menschen, wobei u. a. auch Asiat*innen und Latinx davon betroffen waren. Dabei ging man von einer Vorherrschaft der weißen Bevölkerung über Schwarze und People of Color aus. Diese Trennungen vollzogen sich in allen Lebensbereichen wie Bildung, medizinische Versorgung, Berufe und Wahlrecht. So gab es etwa in Parks Bänke und Trinkbrunnen, die Schwarze Menschen nicht benutzen durften. Ab Mitte der 1950er-Jahre machte sich das Civil Rights Movement dafür stark, die gesetzlich verankerte Diskriminierung von Schwarzen aufzuheben. Eine maßgebliche Rolle spielte hierbei der Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. (19291968). 

Sexismus

Der Begriff Sexismus bezeichnet die Diskriminierung einer Person aufgrund von Gender. Damit gehen Stereotype und Zuschreibungen einher, die innerhalb einer Kultur verankert sind und diese Diskriminierung begünstigen. Alle Menschen, die nicht als Cis-Männer gelesen werden, sind überdurchschnittlich häufig mit Sexismus konfrontiert. Personen, die Sexismuserfahrungen machen oder gemacht haben, werden unter den Sammelbegriff FLTI+ (Frauen, Lesben, Trans- und Inter-Menschen) gefasst. 

Sexismus gilt neben u. a. Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus, Ableismus, Sexismus, Klassismus und Homophobie zu den häufigsten Formen von Diskriminierung. 

Mehr zum eigenen Sexismus erfahren: https://implicit.harvard.edu/implicit/germany/selectatest.jsp

Slutshaming

Slutshaming bezeichnet die moralische Verurteilung von Frauen, die ein sexuell selbstbestimmtes mitunter freizügiges Leben führen. Dabei werden frauenfeindliche Beleidigungen eingesetzt, um die betreffende Person herabzusetzen, zu beschämen und zu entmachten. In diesem Zusammenhang wird Frauen im Gegensatz zu Männern, die identisches Verhalten zeigen das Recht genommen, sich als sexuelles Wesen zu positionieren. Oft findet Slutshaming auch im Zusammenhang mit Rape Culture und Victim Blaming statt.

Subjektivation

Der Begriff der Subjektivation bezeichnet nach der Philosophin Judith Butler einen Prozess, der zur Subjektwerdung bzw. Identitätserzeugung eines Individuums führt. Dieser Prozess wird von verschiedenen Faktoren begleitet. Dazu gehören Faktoren unserer Umwelt, die auf uns einwirken, wie Identitätskategorien und gesellschaftliche Hierarchien. Wir werden demnach zu einem Jemand durch die reflexive Auseinandersetzung mit uns selbst und durch den Diskurs mit der Umwelt und Personen unseres direkten Umfelds, in dem wir uns bewegen. Demnach führt erst das Prozessuale der Subjektivation zum Subjekt, womit sich das Subjekt in Abhängigkeit zu allem, was es umgibt, befindet. Gleichzeitig wird damit individuelle Souveränität als Illusion entlarvt.

Tokenismus

Die Theorie des sogenannten Tokenismus (engl. Tokenism) wurde in den späten 1970er-Jahren von der Soziologin Rosabeth Moss Kanter geprägt. Sie untersuchte die Einstellungskriterien eines Großkonzerns, wobei sie das Schlupflid-Prinzip“, den Tokenismus, feststellte. Kanter bemerkte, dass Frauen, die in diesem Unternehmen arbeiteten, eine Symbolrolle zukam: Ihre Anstellung diente als Alibi, um das Unternehmen vor Vorwürfen mit Blick auf Sexismus und Ausgrenzung zu bewahren. Man nutzte sie als Repräsentantinnen der Kategorie Frau. Dadurch dass sie zu Repräsentantinnen einer ganzen heterogenen Gruppe wurden, wurden sie nicht mehr als Individuen wahrgenommen. Machte eine dieser wenigen Frauen einen Fehler, wirkte sich dieser Fehler auf die Außenwahrnehmung der ganzen Gruppe aus. War eine Frau hingegen besonders gut in ihrem Arbeitsfeld, schloss man daraus nicht auf die gesamte Gruppe, sondern betrachtete sie als Ausnahmetalent. Damit steht der Tokenismus dem Essentialismus nahe. Gleichzeitig bezieht sich Tokenismus nicht nur auf Frauen in einem von Männern dominierten Umfeld Mitglieder aller marginalisierten Gruppen können von Tokenismus betroffen sein. Zusätzlich stehen Personen in ihrer Funktion als Stellvertreter*innen unter enormen Erwartungsdruck.

Toxische Männlichkeit

Als Toxische Männlichkeit wird ein Verhalten von Männern bezeichnet, das nicht nur für sie selbst schädlich ist, sondern auch für ihr Umfeld und letztlich die gesamte Gesellschaft. Dabei geht es nicht darum, alle Männer als zerstörerisch zu bezeichnen. Vielmehr sollen toxische Verhaltensmuster, die an Männlichkeit gekoppelt sind, entlarvt werden. Hier seien dominantes und repressives Verhalten sowie Homophobie, Misogynie, Aggressivität und Gewalt genannt. Im Falle von häuslicher Gewalt waren bei insgesamt annähernd 142.000 gemeldeten Fällen im Jahr 2019 zu 81 % Frauen betroffen, die von ihrem Partner psychisch oder physisch misshandelt oder eingesperrt wurden. In 125 Fällen gipfelte die Gewalt im Femizid, wie die Erhebung des Bundeskriminalamtes zeigt. Aber auch Männer fallen toxischer Männlichkeit zum Opfer: Für das Jahr 2019 verzeichnete das Bundeskriminalamt von insgesamt über 181.000 Gewaltdelikten, dass über 147.500 von Männern an Männern ausgeübt wurden. Darüber hinaus geht es auch darum, Klischees zur männlichen Geschlechterrolle offenzulegen, etwa im Hinblick darauf, welche Emotionen Männer zeigen dürfen und welche nicht.

In der Kritik steht der Begriff allerdings, weil er nicht klar definiert ist und bislang noch nicht wissenschaftlich im Kontext zu anderen Männlichkeitskonzepten untersucht wurde. Trotzdem dient er seit der #MeToo-Bewegung als Instrument, um Missstände zu benennen.

Verlustspur

Die Philosophin Judith Butler hat den Begriff der Verlustspur geprägt. Er weist darauf hin, dass Individuen im Zuge ihrer Identitätsfindung verschiedene Identitätskategorien für sich annehmen. Die bewusste oder unbewusste Entscheidung für eine solche Kategorie ist dabei gleichzeitig auch immer eine Entscheidung gegen eine andere. Demnach definiert und bedingt das, was das Subjekt nicht ist, auch immer das, was es ist. In diesem Zusammenhang wird mitunter auch die Kategorie, die das Subjekt nicht für sich in Anspruch nimmt, unsichtbar gemacht: Ein Mann ist gleichzeitig Nicht-Frau; sind wir weiß, bedeutet das, dass wir nicht-Schwarz sind usw. Damit bilden sich die Identitäten des Subjekts aus der Verlustspur heraus, die die Negation anderer möglicher Identitäten beinhaltet sowie die Abgrenzung zu ihnen.

Täter*innen-Opfer-Umkehr

Die Schuld für einen Übergriff wird beim Opfer gesucht, das heißt, es kommt zu einer Umkehr der Rollen von Täter*in und Opfer im Anschluss an eine Straftat. Die Strategie, die sich dahinter verbirgt, ist, aufzuzeigen, dass das Opfer durch seine Handlungen den*die Täter*in provoziert habe, sodass der*die Täter*in schließlich selbst zum Opfer stilisiert wird. Als Beispiel können vergewaltigte Personen angeführt werden, denen nach der Tat vorgeworfen wird, sie hätten sich zu aufreizend gekleidet und den*die Täter*in damit zur Tat animiert.

Vorurteile

Vorurteile sind generische Vorstellungen, die gesellschaftlich verankert sind und sich auf Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe beziehen. Damit stehen Vorurteile dem Essentialismus nahe. Dabei kommt es zu Vorurteilen, wenn Verallgemeinerungen und Rückschlüsse aufeinandertreffen: Durch das Verhalten oder unterstellte Verhalten eines Mitglieds einer sozialen Gruppe wird auf die gesamte Gruppe geschlossen, der Rückschluss erfolgt anschließend auf ein beliebiges anderes Mitglied dieser sozialen Gruppe. Dieses Phänomen wird in der Sozialpsychologie als illusorische Korrelation bezeichnet. Damit schaffen Vorurteile eine nicht existente Verbindung zwischen verschiedenen Personen, die in eine soziale Gruppe kategorisiert werden.

Diese Wahrnehmungsfehler haben weitreichende Folgen: So fand der Psychologe Claude Steele in einer Studie heraus, dass bei Mitgliedern der mit Vorurteilen beladenen sozialen Gruppen die Sorge darum, negativen Vorurteilen zu entsprechen, genau dazu führen kann, dass sie sich bewahrheiten. In diesem Zusammenhang kann das bloße Wissen um die Existenz dieser Stereotype den Lebensweg und damit auch die Leistungsfähigkeit, die Bildung und die Berufschancen einschränken. Betroffene stehen unter ständigem Beweisdruck. Damit ist der Einfluss von Vorurteilen auf Mitglieder der entsprechenden sozialen Gruppen so groß, dass sie wirken, weil sie in der Gesellschaft verankert sind, und nicht, weil einzelne Personen diesen Vorurteilen tatsächlich entsprechen.

Weiße Fragilität

2011 prägt die Soziologin Dr. Robin DiAngelo den Begriff weiße Fragilität. Er bezeichnet die Reaktionen weißer Menschen, die mit ihren eigenen Rassismen konfrontiert werden. Werden sie von einer anderen Person auf eine beispielsweise rassistische Äußerung aufmerksam gemacht, reagieren sie defensiv. Sie versuchen, sich zu verteidigen oder zu rechtfertigen, sie schweigen, wechseln das Thema oder beteuern ihr rassismuskritisches Denken. All diese Verhaltensweisen sorgen jedoch nicht für einen offenen Dialog zum Thema Rassismus, sondern stellen vielmehr eine historisch gewachsene Hierarchie zwischen Weißen und People of Color oder Schwarzen wieder her, die es aber zu überwinden gilt. Nach DiAngelo ist dieses Phänomen darin begründet, dass sich Weiße selbst rassistisch behandelt fühlen, sobald ihre Hautfarbe eine Rolle spielt. Dabei können weiße Menschen zwar Diskriminierungserfahrungen ausgesetzt sein, aber es ist ausgeschlossen, dass sie Rassismus erfahren. Denn Rassismus wurde erfunden, um Herrschafts- und Machtverhältnisse zu legitimieren, und bedeutet in letzter Konsequenz die systemische Unterdrückung von Personengruppen, die zu den Anderen gemacht werden. Diese Anderen sind in einem weiß dominierten eurozentristischen Weltbild BIPoC. Auch in anderen Regionen der Welt kommt es zu Rassismus, der sich dann vermehrt in Form von Colorism bemerkbar macht. Im Zusammenhang mit weißer Fragilität geht es also ebenso darum, dass Weiße jede Beteiligung oder gar die Existenz am gesamtgesellschaftlich verankerten rassistischen System leugnen. Damit wird Rassismus jedoch nicht bekämpft, sondern tradiert. 

White Gaze

White Gaze, der weiße Blick, stammt ursprünglich aus der Filmtheorie und bezeichnet die Perspektive von weißen Menschen auf ihr Umfeld und die Gesellschaft. Dabei sorgt der dominante white Gaze dafür, dass diese Lesart als Standard etabliert wird. Alles, was von diesem Standard abweicht, wird unsichtbar gemacht. Das gleiche gilt auch für den male Gaze, den männlichen Blick.

 

Weiß

Die Bezeichnung weiß wird häufig als Kontrapunkt zu Schwarz gesehen. Im Gegensatz zu Schwarz ist dieser Begriff nicht als politische Selbstbezeichnung zu verstehen. Um zu verdeutlichen, dass es sich aber auch hier um eine politische Beschreibung und nicht etwa um eine Farbbezeichnung handelt, wird weiß kursiv geschrieben.

White Washing

Der Begriff des White Washing nimmt die Praktiken der Theater- und Filmindustrie kritisch in den Blick. Dabei bezeichnet er etwa das Besetzen Schwarzer Charaktere oder Charaktere of Color mit weißen Schauspieler*innen. Als Beispiel dafür mag Shakespeares Othello dienen: 1604 mit einem ausschließlich aus Männern bestehenden Ensemble uraufgeführt, wird der Hauptdarsteller geblackfacet. Diese Praxis gerät zwar ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehr und mehr in die Kritik, verschwindet jedoch bis heute nicht vollständig. Zu White Washing gehört auch, historische Erzählungen mit Schwarzen Protagonist*innen oder Protagonist*innen of Color so abzuändern, dass sie als weiß kontextualisiert werden und dementsprechend durch weiße Schauspieler*innen dargestellt werden können, wie etwa der Film Ghost in a Shell (2017) zeigt. Damit verknüpft sich mit dem Begriff des White Washing eine Rassismuskritik, weil Menschen nicht-weißer Race gezielt benachteiligt und unsichtbar gemacht werden.

Wokeness

Ist eine Person woke, so verfolgt sie wachsam das Weltgeschehen und erkennt Schieflagen in der Ungleichbehandlung von Menschen – meist aufgrund von Identitätsmerkmalen. Dabei ist das Anliegen der Wokeness, Sexismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Ableismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Gewalt gegen Minderheiten, Klassismus und vieles mehr zu bekämpfen. Dies geschieht, indem woke Menschen ihre Stimme erheben – sei es auf der Straße oder in den Sozialen Medien.

Woke bezeichnet also einen Bewusstseinszustand für die Verfasstheit der Welt. Auch wenn die Ideale, die die Woke-Bewegung vertritt, von vielen Personen geteilt werden, wird auch Kritik an ihr laut. Denn Wokeness bringt einige Fallstricke mit sich: So wird immer wieder aufs Neue verhandelt, was akzeptabel ist und was nicht. Es gibt demnach keinen fixen Kanon von Verhaltensmaßstäben, an dem sich Individuen orientieren können. Damit wird Wokeness zu einem undurchsichtigen und amorphen Gebilde, das nur schwer zu greifen ist. Gleichzeitig zeigt die ständige Verschiebung, das immer neue Austarieren und Infragestellen der eigenen Verhaltensweisen, ambige und diskursive Eigenschaften, die zu begrüßen sind, wenngleich sie schwieriger zu fassen sind. 

Zugehörigkeit

Menschen haben das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, die sie in verschiedenen Gruppen suchen, um dort sozialen Rückhalt und Akzeptanz zu finden. Rückhalt und Akzeptanz sind für jedes Individuum wichtig und tragen maßgeblich zum Wohlbefinden bei. Dabei macht es jedoch einen Unterschied, ob die Zugehörigkeit zu einer Gruppe selbst gewählt wurde oder ob diese Gruppenzugehörigkeit von der Gesellschaft – ohne eigenes Zutun – auferlegt wird. In diesem Fall kann ein Zugehörigkeitsgefühl auch destruktiv sein. Die Kehrseite von Zugehörigkeit ist vergleichbar mit einer Verlustspur. Gruppenzugehörigkeiten konstruieren sich nämlich erst durch Abgrenzungen, wie das Robbers-Cave-Experiment des Sozialpsychologen Muzafer Sherif (1906–1988) zeigen konnte: 

Die Studie diente der Konfliktforschung. Im Sommer 1954 zogen elfjährige Jungen mit nahezu identischen sozialen Hintergründen in ein Ferienlager im Robbers Cave State Park im US-amerikanischen Oklahoma. Dort wurde ihr Verhalten – ohne das Wissen der Jungen – für drei Wochen von Forscher*innen, die sich als Camp-Personal tarnten, beobachtet und beeinflusst. 

Von Beginn an bildeten die Forscher*innen zwei zufällig ausgewählte Gruppen, die zunächst nichts voneinander wussten. Nach wenigen Tagen hatten sich in den beiden jeweils elfköpfigen Gruppen bereits soziale Muster, Hierarchien und Freundschaften herausgebildet. Die Ausformung dieses Gruppengefüges bezeichnet die erste Phase des Experiments. In der zweiten Phase machten die Wissenschaftler*innen die beiden Gruppen aufeinander aufmerksam und brachten sie mit Hilfe von sportlichen Wettkämpfen gegeneinander auf. In der dritten Phase sollten die entstandenen Konflikte gelöst werden. Interessant ist, dass in Phase zwei der innere Zusammenhalt der Gruppe wuchs, während sich mehr und mehr Aggressionen gegen die Anderen entwickelten, sie wurden beschimpft und herabgesetzt. 

Um sich einander zugehörig zu fühlen und – wichtiger noch – um sich von den Anderen abzugrenzen, gaben sich die Jungen plötzlich Gruppennamen, was sie zuvor für nicht notwendig erachteten. Sie brauchten also Kategorisierungen, um ihre Identitäten auszubilden und fassbar zu machen. Dabei entwickelten die Jungen gegensätzliche Identitäten, um sich voneinander abzugrenzen, und nicht, weil sie gegensätzliche Normvorstellungen hatten. Sie bastelten sich sogar Flaggen mit eigenen Emblemen und entwickelten jeweils eigene Rituale. Mit Fortschreiten der zweiten Phase des Experiments kam es auch zu Übergriffen. Die Jungen brachen in das Camp der anderen Gruppe ein und verwüsteten es usw. Sie bewaffneten sich sogar mit Baseballschlägern, um gegeneinander zu kämpfen. In diesem Moment leiteten die Forscher*innen Phase drei des Experiments ein: die Aussöhnung. Die Gruppen waren inzwischen so zerstritten, dass sie nicht mehr miteinander sprechen wollten. Um die Jungen wieder einander anzunähern, hatten die Wissenschaftler*innen zwei Möglichkeiten: Entweder etablierten sie ein neues und vor allem gemeinsames Feindbild oder sie stellten den beiden Gruppen Aufgaben, die sie nur gemeinsam lösen konnten. Man entschied sich für die zweite Variante. Zu diesen Aufgaben gehörte z. B. das Reparieren der Trinkwasserleitung, wofür die Jungen zuerst den Schaden finden und dann einander Werkzeuge ausleihen mussten, um ihn zu beheben. 

Sherif erkannte in diesem Experiment allem voran, dass soziale Gruppen in kurzer Zeit eigene Strukturen, Werte und Rituale entwickeln. Das tun sie, um die Mitglieder ihrer Gruppe von den Außenstehenden unterscheiden zu können. In diesen Unterschieden liegen meist die Gründe für die Anfeindungen zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Sie lassen sich jedoch durch gemeinsame Ziele, wie einen Paradigmenwechsel, überwinden. Auch Wiederholungen dieses Experiments mit anderen Protagonist*innen in anderen Kulturkreisen brachten die gleichen Ergebnisse hervor. Damit zählt Sherifs Experiment heute zu den Klassikern in der Psychologie. An der friedensfördernden Wirkung übergeordneter Ziele wird kaum noch gezweifelt. Die von Sherif offengelegten Verhaltensweisen lassen sich auf alle Identitätskategorien übertragen. Damit wird Zugehörigkeit zu einem fiktiven Konstrukt.