Kollektivsubjekt

Die Philosophin Judith Butler prägte den Begriff des Kollektivsubjekts. Er weist darauf hin, dass von Menschen, die ein identitätsstiftendes Merkmal teilen, häufig in Singularform als eine homogene Gruppe gesprochen wird. Butler deckt mit diesem Begriff auf, dass es bei der Fokussierung auf soziale Gruppen nicht mehr um ein konkretes Individuum und Vielfalt geht, sondern durch verschiedene Zuschreibungen vielmehr ein imaginiertes Kollektivsubjekt entsteht. In dem Beispiel „Der Mann mag Fußball“ ist mit „der Mann“ kein Individuum gemeint, sondern alle Männer.

In Bezug auf marginalisierte Gruppen spricht die Journalistin und Autorin Kübra Gümüşay von der Bürde der Repräsentation“, die sich im Kollektivsubjekt offenbare. Sie berichtet über gläubige Musliminnen, die Kopftuch tragen, und beschreibt sie von der Gesellschaft als gesichtslose Wesen, Bestandteile eines Kollektivs [wahrgenommen]. Jede ihrer Äußerungen, jede ihrer Handlungen wird auf das Kollektiv zurückgeführt, Individualität wird ihnen nicht zugestanden. […] Viele Menschen in unserer Gesellschaft können durch die Straßen gehen und dabei einfach sie selbst sein. Sie können unfreundlich sein, sich ärgern, ihren Emotionen freien Lauf lassen, ohne dass daraus ein allgemeiner Schluss gezogen würde über all jene, die so ähnlich aussehen wie sie oder die gleiche Religion praktizieren. Wenn ich, eine sichtbare Muslimin, bei Rot über die Straße gehe, gehen mit mir 1,9 Milliarden Muslim*innen bei Rot über die Straße.“ An diesem Beispiel hält Gümüşay fest, dass Individuen innerhalb einer Gruppe verblassen, womit sie gleichermaßen die Muslim*in als Kollektivsubjekt mit dem Essentialismus verknüpft.