Kulturelle Aneignung

Kulturelle Aneignung beschreibt die Übernahme von Kulturgütern einer Kultur durch Mitglieder einer anderen Kultur. Dabei ist der Austausch von Kulturen grundlegend begrüßenswert, fördert er doch gegenseitiges Verständnis und Anerkennung. Doch ist zu beachten, dass der Begriff der kulturellen Aneignung weniger auf eine Inanspruchnahme von Kulturgut auf Augenhöhe abzielt. Vielmehr berücksichtigt er ein historisch gewachsenes Machtgefälle, in dem sich der Globale Norden der Musik, des Schmucks, der Kleidung, religiöser Symbole usw. des Globalen Südens bedient häufig, um sich dadurch zu bereichern. Als Beispiel dafür können Designer*innen dienen, die sich an der Ornamentik der Textilien der Yoruba bedienen.

Dabei kreist die Problematik in ihrem Kern nicht darum, wer der*die Eigentümer*in einer Kultur ist. Die auf Kultur übertragene Idee von Eigentum ist das falsche Modell, um sich dem Thema zu nähern, wie der Philosoph Anthony Kwame Appiah festhält. Das bedeutet jedoch nicht, dass kein Fehlverhalten existierte. Es steht weniger der Aspekt der Aneignung im Vordergrund, viel wichtiger sind in diesem Zusammenhang Ausbeutung und Missachtung, die aufgrund von ungleichen Machtverhältnissen erst ermöglicht werden. 

Wenn sich Rheinländer*innen als Mitglieder der indigenen Bevölkerungsgruppen Nordamerikas mit Federschmuck im Haar verkleiden und Redfacing anwenden, um Karneval zu feiern, ist das kein kultureller Diebstahl, sondern respektlos und rassistisch. Wenn sich US-amerikanische Popsänger*innen der Rhythmen der Musik von Südafrikaner*innen bedienen, um damit sehr viel Geld zu verdienen, sollte die Frage erlaubt sein, ob sie einen fairen Anteil an ihren Gewinnen den Südafrikaner*innen haben zukommen lassen. 

Das Problem wurzelt demnach nicht per se in der Aneignung, sondern im respektlosen und ausbeuterischen Umgang mit kulturellen Merkmalen und Traditionen, die anderen Menschen wichtig sind, wenn nicht sogar in den Herkunftsregionen als heilig gelten. Ein Kulturtransfer und Austausch auf Augenhöhe, bei dem sich alle Parteien mit Anstand und Sensibilität begegnen, wäre hingegen ein Gewinn für alle.