Melike Kara

* 1985 in Bensberg, Deutschland
lebt und arbeitet in Köln, Deutschland

Melike Kara
Melike Kara, mother of mother of mother [Mutter der Mutter der Mutter], 2021, Ölstift auf Leinwand, Latex auf Stoff, Courtesy of the artist, Jan Kaps, Köln, und Arcadia Missa, London, © Melike Kara, 2021 / Foto: Simon Vogel

Wenn Kultur die Quelle kollektiven Wissens ist, bedeutet Melike Karas Werk mother of mother of mother eine Hommage an die Stärke der Mutter: Wissen und Bräuche werden oft auf mündlicher Basis vermittelt, speziell im familiären Umfeld. Hierbei werden auch Traditionen und Riten der eigenen Familie weitergegeben. Als Schamane im kurdischen Heimatdorf kümmerte sich Karas Urgroßvater um alte Traditionen. Ihre Großmutter hielt diese Traditionen nach dem Umzug nach Deutschland lebendig. Für Melike Kara war die Großmutter immer wieder ein wichtiger Bezugspunkt für ihre persönliche und künstlerische Entwicklung. Daher war der Tod der Großmutter ein einschneidendes Erlebnis, das die Künstlerin dazu brachte, sich noch intensiver mit der eigenen Familiengeschichte und den Bräuchen ihrer Familie auseinanderzusetzen.

mother of mother of mother bezieht sich indirekt auf diese Umbruchserfahrung, legt den Fokus jedoch auf den engen Austausch, den die Künstlerin mit ihrer Großmutter pflegte und die Beständigkeit, mit der diese sich der körperlichen, aber auch seelischen Heilung von Menschen in ihrem Umkreis widmete. In diesen Gesten liegt für die Künstlerin ein wichtiger Aspekt der Vergebung, in der Vergangenes wie auch Zukünftiges berücksichtigt werden. Der Verweis hierauf findet sich in den 60 Votivpuppen, die Kara für die Ausstellung installierte. Die mit rötlichem Latex überzogenen Puppen strahlen Verletzlichkeit, aber auch Lebensfreude aus. Die gemusterten Stoffe aus denen sie genäht wurden, stammen von den abgelegten Kleidern der Großmutter und stellen so ebenfalls einen direkten Bezug zur Mutter der Mutter der Künstlerin dar. Die Figuren werden damit zu ambivalenten Wesen, die einerseits vom tragischen Verlust eines geliebten Menschen zeugen, aber andererseits Symbole fortwährender Heilung verkörpern.

Die Ornamentik des Stoffes findet sich auch in den zwei Gemälden der Installation wieder. Abstrahierte Blumenmuster wechseln sich mit verschachtelten schamanistischen Symbolen ab. Kara verdichtet in ihnen ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einem Kontinuum der Gleichzeitigkeit, in dem die lebenden Familienmitglieder aus den Erinnerungen an ihre und den Erfahrungen von ihren Vorfahr*innen Kraft und Wissen schöpfen.

mother of mother of mother tritt in Dialog mit einem Werk von Twins Seven Seven aus der Sammlung Ludwig, in dem der Künstler auf Rituale der Yoruba eingeht, die einen ähnlichen Ahnenkult verfolgen und darüber hinaus diese Thematik über textile Ornamentik und Gestik transportiert.

 

 

in Dialog mit

Twins Seven Seven

The Ritual Masked Wrestlers for a new Wife, 1969

weitere Beiträge

María Magdalena Campos-Pons

Opciones para el mito: Leda piensa, 1989

Erró

Venus (aus: Tableaux Chinois), 1975

Vivian Greven

Vivian Greven

Leda I, 2021

Liang Dong 梁棟

絲路滄桑 [Seidenstraße voll Vergangenheit], 1989

Jannis Marwitz

Jannis Marwitz

Untitled / Comme des fruits malheureux, 2017