Sergej E. Volkov Сергей Евгеньевич Волков

* 1956 in Kazan, Russland (ehem. UdSSR)
lebt und arbeitet in Moskau, Russland

Sergej E. Volkov Сергей Евгеньевич Волков, Продолжение осмотра [Fortsetzung der Besichtigung], 1988, Öl auf Leinwand, 150 x 200 cm, Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen, Leihgabe der Peter und Irene Ludwig Stiftung, © Sergej E. Volkov, 2021 / Foto: Carl Brunn

Sergej E. Volkovs Arbeit zeigt den Betrachter*innen einen Ausschnitt eines Ausstellungsraums. Der Fokus des Künstlers liegt auf einer fast leeren Wandfläche, die ein angeschnittenes Gemälde am linken Bildrand zeigt, während am rechten Bildrand zwei vertikal aufstrebende Balken zu sehen sind, die einen Türsturz und Durchgang in einen weiteren Ausstellungsraum andeuten. Einzig zwei Elemente sind klar zu erkennen: ein Belüftungsschacht und ein Hinweisschild mit der Aufschrift Продолжение осмотра im oberen Bilddrittel, das mit einem schwarzen Pfeil in Richtung des Durchgangs deutet. Volkov arbeitete hier mit körnigen Elementen, die er der Farbe beimischte, wodurch das mit Spachteln aufgetragene Material sich zu einem flächigen und pastosen Farbauftrag zusammenfügt. Auch die weitestgehend fehlende illusionistische Perspektive zerschlägt jede Assoziation eines Trompe-l’œils.

Volkov bedient sich häufig einer Zeichensymbolik, die als Bezugssystem unseren Alltag strukturiert und damit tief in unserem kollektiven Bewusstsein verankert ist. Durch den Einsatz von kyrillischer Schrift im Bild entschlüsselt sich der Inhalt des Dargestellten schnell für all jene, die Russisch lesen können. Für alle anderen erscheint es als Irritationsmoment, das die Grenzen der eigenen Sprache und Wahrnehmung bedeutet. Im Fall von Продолжение осмотра nutzt der Künstler ein beschriftetes Schild, wodurch Betrachter*innen besonders wenn sie Russisch nicht lesen können sollten irritiert sind und in der Folge versuchen, nicht nur das Motiv, sondern auch die Schrift zu entschlüsseln. Damit lässt Volkov verbale und visuelle Codes aufeinanderprallen, die sich gegenseitig ebenso bedingen wie dekonstruieren, wodurch ein Paradoxon entsteht, das in seiner Konsequenz zu einem leeren Zeichen führt.  

Volkov spielt mit diesem Gebrauch auf die Semiotik an, die sich als Theorie mit Zeichensystemen aller Art beschäftigt. Dabei spielt er Signifikant und Signifikat gegeneinander aus: Signifikant ist in diesem Zusammenhang der Bildgegenstand, der etwas Bezeichnendes ausdrückt, das heißt das beschriftete Schild. Erst das Signifikat gibt uns als das, was bezeichnet wird, Aufschluss über den Inhalt, nämlich die Fortsetzung der Besichtigung. Das Zeichen ergibt sich demnach erst durch das Zusammenwirken von Bezeichnendem und Bezeichnetem und wird dadurch für Betrachter*innen verständlich. Diesen Umstand steigert Volkov zusätzlich durch den gewählten Bildausschnitt. Durch das Spiel mit Signifikat und Signifikant und deren Auflösung im Gemälde hinterfragt er ganz bewusst zeitgenössische Zeichensysteme und die Lesarten unserer individuellen Umwelt.

in Dialog mit

Slavs and Tatars

Mother Tongues and Father Throats, 2012

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