Roy Lichtenstein
* 1923 in New York City (NY), USA
† 1997 ebd.
„Ist er der schlechteste Maler Amerikas?“, fragt 1964 das bekannte Magazin Life in einem Artikel, der sich mit den Arbeiten Roy Lichtensteins beschäftigt. Heute gilt der Künstler als einer der berühmtesten Vertreter der Pop Art. Mit seinen durch Comics inspirierten Werken gelangt er ab den 1960er-Jahren zu Weltruhm. Charakteristisch sind die Rasterpunkte, sogenannte Benday Dots, die er den Schwarz-Weiß-Abbildungen in zeitgenössischen Zeitungen entlehnt, sie mit Sprechblasen kombiniert und dem Duktus des Comics damit neue Ausdruckskraft verleiht. Aus demselben Jahr wie die Kritik in Life stammt auch Pow!, das einen anonymen Mann zeigt, dem gerade mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde. Pow! ist damit – ganz im Stil von Comics – als Lautmalerei zu verstehen. Die Sprechblase „Sweet Dreams, Baby“ in der oberen linken Ecke des Blattes weist darauf hin, dass der Mann im nächsten Augenblick das Bewusstsein verlieren wird. Fühlte sich Lichtenstein so, als er die vernichtende Kritik las?
Pow! ist eine der frühesten Pop-Art-Grafiken des Künstlers. Sie ist Vorlage für einen Druck in einer Grafikmappe, die der Tabakkonzern Philip Morris im Jahr darauf als Werbemaßnahme in Auftrag gab und die sich ebenfalls in der Sammlung Ludwig befindet. In der Arbeit reflektiert Lichtenstein das Phänomen der massenproduzierten Waren, wie sie etwa Zeitungen darstellen, auf die die Benday Dots verweisen. Sie fanden aus ökonomischen Gründen Eingang in die kommerzielle Presse, weil sie beim Drucken Farbe einsparen und damit Gewinnmargen erhöhten. Die Detailansicht, die wie ein Ausschnitt aus einer größeren Vorlage wirkt, richtet den Blick der Betrachter*innen gezielt auf das Bildgeschehen. Das extreme Close-up unterstreicht die Dramatik des kontextlos Dargestellten. Diese Verfremdungseffekte (Benday Dots, Vergrößerung eines Comicbildes, Schwarz-Weiß-Darstellung, Ausschnitthaftigkeit) integrieren sich in einen Diskurs zum Konsum von industriell gefertigten Produkten. Lichtenstein schlägt mit seinen Arbeiten eine Brücke zwischen Hochkultur (Kunstwerke) und Trivialem (Comics), indem er beides aneinanderkoppelt. Hierdurch soll bei Betrachter*innen ein kritisches Bewusstsein entstehen, das sich nicht nur mit dem Zusammenhang zwischen Kunst und Kommerz auseinandersetzt, sondern auch mit dem individuellen Konsumverhalten. Damit lässt sich diese Arbeit ebenso klassismuskritisch verstehen.
in Dialog mit
Kinke Kooi
Hold Me 2 / Instanding / Preventing the Sharp from being sharp / Inclusive, Exclusive, 2015
weitere Beiträge
Slavs and Tatars
Mother Tongues and Father Throats, 2012
Sergej E. Volkov
Продолжение осмотра, 1988