Thomas Lanigan-Schmidt
* 1948 in Elizabeth (NJ), USA
lebt und arbeitet in Hell’s Kitchen, New York City (NY), USA
„They’re like aquariums without walls“ [„Sie sind wie Aquarien ohne Wände“], sagte Thomas Lanigan-Schmidt in einem Interview anlässlich seiner Retrospektive im New Yorker MoMA im Jahr 2013 über seine Arbeiten. Dabei bestechen sie durch ihre Opulenz, die der Künstler durch die Kombination verschiedener Materialien und Themen erreicht. Bei A Rite of Passage: The Leprechaun (a Mischievous Irish Fairy) and the Puerto Rican Prince ahmt er die Glasmalereien von Kirchenfenstern in kleinem Maßstab mit bemaltem Zellophan nach, die er anschließend in seine stelenartigen Collagen einsetzt, in denen er immer wieder malerische und skulpturale Elemente miteinander verknüpft. Aber auch Alufolie, Lametta, Christbaumkugeln und glitzernde Sammelbilder finden Verwendung. Er sammelt diese Materialien und hebt sie über viele Jahre hinweg auf, bis er sie schließlich für eine Arbeit nutzt. Lanigan-Schmidt kombiniert Haushaltsgegenstände mit Waren, die man in sogenannten Dollar Stores [Ein-Euro-Läden] erhält. Er koppelt sie an religiöse Sujets ebenso wie an schwule Identität und lässt dabei Klassismuskritik, das heißt eine Haltung, die sich gegen Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft und ökonomischer Position bezieht, anklingen (siehe: Klassismus). Damit führt er Hoch- und Popkultur zusammen und verknüpft sie mit autobiografischen Aspekten, die unter anderem in seiner Religion und Homosexualität liegen. Gleichzeitig bedeuten sie für ihn nicht etwa gegensätzlichen Pole – vielmehr versucht Lanigan-Schmidt, diese Facetten seiner Identität in Einklang zu bringen.
So hatte sich der Künstler schon lange vor dem Stonewall-Aufstand, der heute vielen als Beginn der LGBTQIA+ Bewegung gilt, geoutet, was unter anderem dazu führte, dass er von einer Kunstakademie abgelehnt wurde. Anspielungen auf seine schwule Identität finden sich in fast allen Arbeiten: Ihm dient beispielsweise der Einsatz von Glitzer als Symbol hierfür. Denn Glitzer bestand speziell in den 1960er- und 1970er-Jahren noch aus gemahlenem Glas und Metallstücken, den die Street Queens von New York auftrugen. Der Ursprung von Glitzer liegt für Lanigan-Schmidt also in dieser Zeit und ist damit mit einer Umbruchserfahrung, einem Rite de Passage, verknüpft, die mit dem Stonewall-Aufstand und seinen Folgen einhergeht. Hingegen assoziiert er Alu- und Goldfolie mit dem christlichen Glauben, speziell seiner Zeit als Messdiener: Blumentöpfe, die den Altar in der Kirche seiner Gemeinde schmückten, waren in diese Folien eingewickelt. Das Zusammenwirken dieser unterschiedlich kodierten künstlerischen Materialien verdeutlicht den Versuch in Lanigan-Schmidts Werk, die Beziehung zwischen Glauben und Homosexualität herzustellen und aufrechtzuerhalten.
Besonders ab den späten 1960er-Jahren wird diese Arbeitsweise für Lanigan-Schmidt charakteristisch. Gleichzeitig widersetzt er sich mit dieser Ästhetik dem aktuellen Geschehen in der zeitgenössischen Kunst, die von der reduktiven Wirkung des Minimalismus und Konzeptualismus dominiert wurde. Häufig werden die Arbeiten von Lanigan-Schmidt als radikal dekorativ bezeichnet, womit jedoch die vielschichtige, sich nicht erschöpfende inhaltliche Dimension der Arbeiten verkannt wird.
in Dialog mit
Markues
Jubilate Agno, 2021
weiterer Beitrag
Jo Baer
Vertical Flanking Diptych (Large, Orange), 1966/1967